Was genau ist Dein Problem?

fragender Blick

Ja, was ist eigentlich Dein Problem? Nichts? Keine Probleme im Alltag? Alles läuft wie am Schnürchen? Das verstehe ich jetzt mal so: Du bist gesund, glücklich und zufrieden, hast ein Dach über dem Kopf und kannst all die Dinge tun, die Dir Freude bereiten. Mit deiner Partnerin oder Deinem Partner läuft es immer wie geschmiert, Dein Nachwuchs (falls vorhanden) entwickelt sich nach Deinen Vorstellungen und in Deiner Familie geht es allen gut. Im Job bist Du gerne mit Deinen Kollegen zusammen. Du erhältst jedes Jahr deine wohlverdiente Gehaltserhöhung und Deine Arbeit wird von Deinen Vorgesetzten wertgeschätzt. Im Freundeskreis bist Du jederzeit willkommen und wirst so akzeptiert wie Du bist. Falls dem so ist, dann kannst Du diesen Beitrag getrost ignorieren, denn ich wüsste nicht, wie ich Dich jetzt noch bereichern könnte.

Oder ist vielleicht doch an der ein oder anderen Stelle ein wenig „Sand im Getriebe“? Dann möchte ich Dich einladen weiterzulesen, denn vielleicht ist eine Inspiration dabei wie Du Deine Herausforderung bewältigen kannst.

Allerdings geht es dabei nur um die Herausforderungen die Du auch wirklich selbst bewältigen kannst. Du wirst vermutlich nicht die globalen Probleme wie z.B. die Covid-19 Pandemie oder die Erderwärmung ganzheitlich und alleine lösen, aber Du kannst einen Beitrag dazu leisten.

Wo drückt der Schuh?

Nimm Dir zunächst ein wenig Zeit und richte Deine Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Bereiche Deines Alltags. Vielleicht entdeckst Du in einer Ecke Deines Lebens, etwas das Du gerne lösen oder zumindest erträglicher gestalten würdest. Unter Umständen unterstützen Dich folgende Fragen:

  • Wie steht es um Deine Gesundheit und/oder körperliche Fitness?
  • Bist Du mit Deiner finanziellen Situation zufrieden?
  • Wie glücklich bist Du in Deiner Partnerschaft/Ehe?
  • Wie zufrieden bist Du mit der Entwicklung Deiner Kinder?
  • Sind Deine Eltern gesund und fit?
  • Wie läuft es mit Deinen Nachbarn und wie läuft es im Freundeskreis?
  • Bist Du zufrieden mit dem Verlauf Deiner Karriere, mit Deinen Kollegen oder Vorgesetzten?
  • Welche Veränderung würdest Du am Liebsten sofort in Deinem Leben umsetzen?

Gehe ruhig ein paar Deiner Lebensbereiche durch und notiere Dir zwischen drei und zehn Themen, wo Du Dir Lösungen oder zumindest Veränderungen wünschst. Vielleicht kommen Aussagen wie die folgenden dabei heraus:

  • „Ich bin sauer auf meine Arbeitskollegin, weil Sie häufig bei unserer gemeinsamen Vorgesetzten im Büro sitzt und wieder schlecht über die Kollegen redet, um sich selbst einen Vorteil zu verschaffen.“
  • „Ich bin unglücklich, weil mein Partner mehr Zeit mit seinen Hobbies verbringt als mit mir. „
  • „Mein Gewicht ist außer Kontrolle, weil die Hotels auf Geschäftsreisen immer so vielfältige Frühstücksbüffets anbieten.“
  • „Ich bin frustriert, weil meine Kinder in ihrem Alter immer noch nicht in der Lage sind in Ihrem Zimmer für Ordnung zu sorgen.“
  • „Ich weiß nicht was ich machen soll, weil meine Partnerin das ganze Haushaltsgeld für unnützes Zeug ausgibt.“

Die Kontrolle zurückgewinnen.

Noch vor über zwanzig Jahren, war ich der Meinung, dass meine Zufriedenheit und mein Gefühlszustand überwiegend von anderen Menschen abhängig ist. Zugegebenermaßen hat das auch seine „Vorteile“, denn ich konnte meine schlechte Laune in Äußerungen über Andere ausleben. Der Arbeitskollege der mir im Meeting mitten in den Satz gefallen ist, wurde zum Blödmann des Tages und ich konnte meine Fassungslosigkeit darüber bis in den Feierabend mitnehmen. Meine Gedanken kreisten ausschließlich um diese eine Situation und meine Laune verbesserte sich den ganzen Abend nicht mehr. Da missglückten selbst die Aufheiterungsversuche meiner Familie. Wie auch? Schuld war ja dieser Blödmann in dem Meeting! Und ich darf erst gar nicht daran denken, dass ich den morgen wieder sehen werde.

Heute glaube ich, dass die eigentliche Problematik darin lag, dass ich dachte ich könne rein gar nichts tun, da ich den anderen für meinen Gefühls- und Gemütszustand verantwortlich machte. Ich gab ihm die Kontrolle über mich und war im Ergebnis hilflos. Hilflosigkeit ist schwer auszuhalten. Inzwischen weiß ich, dass ich die Kontrolle zurückgewinnen kann, wenn ich meine unangenehmen Gefühle als Antwort auf meine unerfüllte Bedürfnisse zurückführe. Wenn ich die Klarheit über meine unerfüllten Bedürfnisse gewonnen habe, fällt es mich auch leichter eine Lösung dafür zu finden.

Um bei meinem Beispiel zu bleiben, sind meine Bedürfnisse nach Wertschätzung, Beitragen, Gehört werden während des Meetings ins Hintertreffen geraten. Die Kausalkette folgt dem Schema „Ich habe abc beobachtet und fühle mich uvw weil mein Bedürfnis nach xyz im Mangel ist“. Also „Ich wurde mitten im Satz unterbrochen und war in diesem Moment konsterniert, weil mein Bedürfnis nach wertschätzendem Umgang in Besprechungen in Schieflage geriet.“ Aha! Mit dieser Erkenntnis kann ich arbeiten und nach der Unterbrechung hätte ich die Bitte äußern können. „Mir ist ein wertschätzender Umgang in Besprechungen wichtig. Dazu gehört, dass ich nicht unterbrochen werde, wenn ich dran bin. Wäre das für alle ok, wenn wir jetzt in dieser Form weitermachen?“ In diesem Moment hätte ich damals die Kontrolle übernommen und einen angenehmeren Abend mit meiner Familie verbringen können.

In wenigen Schritten ans Ziel.

Zurück zu Deinem Beispiel. Versuche zunächst Dein Beispiel in verdauliche Einheiten zu zerlegen in dem Du notierst:

  • Was ist die konkrete faktische Beschreibung der problematischen oder herausfordernden der Situation? Beschränke Dich auf nachvollziehbare Fakten und halte jegliche Interpretationen oder Diagnosen heraus.
  • Was fühlst Du, wenn Du die reine Beobachtung betrachtest? Wenn Dein Gefühl dazu einigermaßen neutral ist, dann ist es eine Beschreibung ohne Bewertung.
  • Was denkst Du über die Situation bzw. welches Bild der Situation hast Du vor Augen? („Lecker! Ich will von allem einmal probieren.“)
  • Wie fühlst Du Dich in dieser problematischen Situation? Die Gefühle in dieser Situation zuzulassen kann hilfreich sein, denn sie bereiten den Weg zu deinen unerfüllten Bedürfnissen.
  • Welches Bedürfnisse könnten dahinter stecken? Nimm Dir Zeit, es könnten unter Umständen auch mehrere Bedürfnisse sein.
  • Auf welchen Wegen könntest Du Dir diese Bedürfnisse außerdem noch erfüllen?
  • Für welchen konkreten weg magst Du Dich entscheiden?

Wenn Du das aller erste Mal mit dieser Vorgehensweise konfrontiert wirst, mag sie fremd und ungewohnt vorkommen. Sobald Du Dich erstmal damit angefreundet hast, können sich die Probleme auflösen und Du kannst zufriedener und empathischer Deinen Alltag genießen. Hast Du Fragen zu Deinem konkreten Beispiel? Dann sprich mich gerne an oder besuche eines meiner Trainings. 😉

Muss I denn ….

„Muss I denn, Muss I denn, zum Städele hinaus…“ so beginnt ein volkstümlicher Liedtext eines Wanderliedes aus dem 19. Jahrhundert, das auch von Elvis Presley unter dem Titel „Wooden Heart“ gesungen wurde. In dem Liedtext geht es darum, dass ein Wanderer seine Geliebte verlassen muss, ihr jedoch verspricht treu zu bleiben und zu heiraten , wenn er zurückkehrt. Musste er wirklich weg oder dachte er nur er müsste weg?

Denkst Du nahezu täglich, dass Du irgendetwas MUSST? Also, wenn ich an Tagesabläufe zurückdenke, dann muss ich erstmal aufstehen, dann muss ich zur Morgentoilette und zum Zähneputzen ins Bad. Als nächstes muss ich dringend einen Kaffee trinken und dann muss ich anfangen zu arbeiten. Irgendwann muss ich Mittagessen und auch Feierabend machen, denn ich muss ja noch ein paar Einkäufe erledigen. Irgendwann muss ich ins Bett gehen und davor muss ich auf jeden Fall noch den Wecker stellen. Im Jahresverlauf muss ich noch Versicherungsbeiträge und auch meine Steuern zahlen. Aber MUSS ich das wirklich alles?

Klingt das nach auferlegten Zwängen, wenn ich das alles tun MUSS? Es klingt fast so als hätte eine fremde Macht die Herrschaft über mich übernommen. Wie fühlt es sich an, wenn ich etwas tun muss? Ausgeliefert? Hilflos?

Es was „tun müssen“, übersetze ich mit es „nicht tun wollen“. WILL ich selbst wieder das Steuer in die Hand nehmen? Dann lohnt es sich einen Blick auf die Bedürfnisse zu werfen, die ich mir mit den „aufgezwängten“ Handlungen erfülle.

Ja! Ich Will!

Wenn ich mir darüber im Klaren bin, welche Bedürfnisse ich mir mit meinen täglichen Handlungen erfülle, schaffe ich mir mehr Klarheit. Wenn ich etwas tun WILL, nehme ich das Ruder wieder selbst in die Hand und entscheide mich bewusst dafür es zu tun oder beginne darüber nachzudenken, welche anderen Möglichkeiten es noch geben könnte eben diese Bedürfnisse zu erfüllen. Vielleicht empfinde ich dann sogar Freude an den Aktivitäten, denn es ich bekenne mich zu diesem Weg meine Bedürfnisse zu erfüllen.

Wie schaut mein Tagesablauf aus, wenn ich die Dinge tun WILL? Ich will morgens aufstehen, denn es ist mir wichtig meine Lebenszeit mit Sinnhaftigkeit zu erfüllen. Meine Zähne will ich mir täglich putzen, damit sie mir so lange wie möglich erhalten bleiben und ich beim nächsten Zahnarztbesuch keine unangenehme Überraschung erlebe. Ich will einen Kaffee trinken, damit ich angeregt werde. Mit der Arbeit will ich beginnen, weil ich mit Sinnhaftigkeit zum Erfolg meines Unternehmens beitragen möchte, weil ich die Gemeinschaft mit den Kollegen:innen und Kund:innen schätze und weil ich dort gesehen und gehört werden will. Ich will Mittagessen, um meine Leistungsfähigkeit zu erhalten und will einkaufen, damit ich meine Speisen daheim zubereiten kann. Am Abend werde ich müde und will schlafen, um mich zu erholen und um meine Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit wieder herzustellen. Den Wecker will ich schließlich stellen, weil mir Pünktlichkeit und eine Tagesstruktur wichtig ist.

Schließlich will ich auch meine Steuern bezahlen, damit ich weiterhin von den staatlichen Einrichtungen wie Bildungseinrichtungen, Polizei, Feuerwehr, etc. profitieren kann. Ebenso die Versicherungsbeiträge, da sie mein persönliches Schadensrisiko in überschaubarem Rahmen halten.

Freie Entscheidung in drei Schritten

Der Weg zur Selbstbestimmung erfolgt in drei Schritten. Willst du es angehen? Dann notiere im ersten Schritt untereinander alle konkreten Aufgaben von denen Du denkst, dass Du sie tun musst, obwohl sie Dir keine Freude bereiten. Betrachte diese Liste im zweiten Schritt und mache Dich mit dem Gedanken vertraut, dass Du Dich dazu entschieden hast diese Dinge auf freier Entscheidung zu tun. Dr. Marshall B. Rosenberg empfiehlt vor jede Zeile „Ich habe frei gewählt ….“ zu schreiben. Mache Dir im dritten Schritt bewusst, was du eigentlich erreichen möchtest indem Du die konkreten Aufgabe erledigst bzw. welches Bedürfnis Du Dir damit erfüllst. Vervollständige schließlich den Satz in der Form: „Ich habe frei gewählt …, denn ich möchte …“.

Betrachte diese Liste und spüre nach, ob es ein Satz gibt, bei dem Du einen Widerstand wahrnimmst. Falls der Widerstand hoch ist, überlege Dir welche anderen Möglichkeiten es gibt, um Dir dieses Bedürfnis zu erfüllen. Marshall B. Rosenberg beschreibt in seinem Buch „Gewaltfreie Kommunikation – Eine Sprache des Lebens“ wie er bei dieser Übung erkannte, dass er als klinischer Psychologe Patientenberichte schreiben musste. Er erkannte, dass er die Berichte nur schrieb, um sein Einkommen zu erhalten. Als er erkannte, dass Geld die Hauptmotivation war, wurde ihm klar, dass es andere Möglichkeiten gab finanziell für sich zu sorgen als Patientenberichte zu schreiben.

Wenn man etwas tun muss, dann kann es außer Geld noch andere Motivationen geben etwas zu tun, dass man eigentlich nicht gerne tut. Dazu gehören der Hunger nach Bestätigung und aus dem Wunsch heraus zu handeln gemocht zu werden. So wie Kinder ihr Zimmer vielleicht nicht aus einem inneren Bedürfnis nach Ordnung und Struktur heraus aufräumen, sondern nur weil sie geliebt werden wollen. Oder weil sie einer angedrohten Strafe entgehen möchten. Auch das Vermeiden von Scham und Schuld sind Gründe manche Dinge zu tun, die wir eigentlich verabscheuen. Letztlich bleiben noch all die Tätigkeiten, die aus Pflichtgefühl getan werden, weil sie eben von uns erwartet werden und scheinbar jede eigene Entscheidungsfreiheit ausklammern.

Fazit

Ich möchte selbstverständlich niemanden davon abhalten weiterhin Dinge tun zu müssen! Mir hilft die Sichtweise der GFK jedoch, die Dinge die ich tue und vielleicht nicht tun möchte aus einer anderen Energie heraus zu tun. So ist alles was ich erledigen MUSS prinzipiell schwer und ich finde wenig Motivation. Wenn ich jedoch etwas erledigen WILL, weil ich mir damit ein lebensdienliches Bedürfnis erfülle und ich mich auch bewusst dafür entschieden habe, dann geht die Aufgabe gleich viel leichter von der Hand.

Übrigens. Als ich mich im Jahr 2013 auf die 2.400km lange Strecke nach Santiago di Compostella begab musste ich nicht zum Städele hinaus – ich wollte.

Wie geht es Dir mit der Übung? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar, was Du dank der Übung nun gerne machst oder ob es etwas gibt, dass Du immer noch tun musst.

Achtung Unfallgefahr!

Kambodscha 2015 – (c) Peter H. Schmitt

Heute morgen dachte ich mir, ich lasse das Auto stehen und fahre anstatt dessen mit dem Fahrrad. Das sollte sowohl meinem ökologischen Fußabdruck als auch meiner Figur und meiner Gesundheit zu Gute kommen. Es gibt nicht überall Fahrradwege und so fuhr ich durch ein Wohngebiet. Ca. 50m vor mir erreichte ein Wagen gerade seine Parkposition. Kkaum kam der Motor zum Stillstand riss der Fahrer die Autotür auf. In diesem Moment war ich elf Meter von einem Aufprall mit der Türinnenseite entfernt. Geistesgegenwärtig rief ich ein lautes „Ehhhh!!!!“ und wich aus, um die vermutlich schmerzhafte Kollision zu vermeiden.

Nachdem ich mich vom dem Schreck erholt hatte, kam mir in den Sinn, dass die meisten Unfälle wohl in der Unachtsamkeit beider Unfallbeteiligter begründet sind. Nehmen wir beispielsweise einen Fahrer der versehentlich eine rotes Ampelsignal nicht beachtet. Es kommt unweigerlich zum Zusammenstoß, wenn der Fahrer mit dem grünen Ampelsignal nur auf sein eigenes grünes Ampelsignal achtet. Wenn der Fahrer mit dem grünen Ampelsignal jedoch die Situation überblickt und rechtzeitig bremst bzw. erst gar nicht losfährt, kann der Unfall vermieden werden. Selbstverständlich fließt der Verkehr auch dann kollisionsfrei, wenn sich beide an die Regeln der Straßenverkehrsordnung halten.

Straßenverkehr in Kambodscha

Das Bild habe ich 2015 bei einer Urlaubsreise in Kambodscha aufgenommen. Es ist ein armes Land. Ampelanlagen gibt es, jedoch wurden diese nicht immer beachtet. Im Straßenverkehr wurde eher einfühlsam miteinander umgegangen. An unterschiedlichen Kreuzungen konnte ich beobachten wie LKWs, PKWs, Mopeds und Tuk-Tuks aus unterschiedlichen Richtungen kommend langsam auf die Mitte einer Kreuzung fuhren. Dort arrangierten sie sich achtsam und ohne Regeln, um ihre Fahrt körperlich unversehrt und ohne Blechschaden sicher zu überqueren. Mir gefiel es zu beobachten, dass es immer wieder Lösungen gab, weil alle Fahrer nicht nur die eigenen Bedürfnisse sondern auch die Bedürfnisse der anderen Fahrer, eben nach Sicherheit und Vorankommen, im Blick hatten. Und das ganz unabhängig von der Größe ihres Fahrzeugs.

Was hat das mit Empathie zu tun?

Ebenso verhält es sich in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wenn jeder der Gesprächspartner auf der Richtigkeit seiner eigenen Meinung beharrt und andere davon überzeugen möchte, kommt es zu verbalen Kollisionen. Wenn jedoch nur ein Gesprächspartner empathisch hinhören kann, kommt es zur Verständigung und Vorankommen. Es bedeutet außer den Sachinhalt zu erfassen, auch Gefühle und Bedürfnisse des Gesprächspartners zu erkennen.

Werden die Gefühle und Bedürfnisse des Gesprächspartners erkannt und gespiegelt, fühlt er sich mit dem verstanden worum es ihm wirklich geht. Das Gespräch kommt auf eine andere Ebene, obwohl ich in einer anderen Richtung unterwegs sein kann.

Wenn Du gerne mehr über das empathische hinhören erfahren magst, dann melde Dich gerne zu meinen Übungsgruppen oder Trainings an.

Money, Money, Money

„Money, Money, Money must be funny in the rich man’s world.“ singt Abba in ihrem Nummer 1 Hit aus 1976. Im Liedtext geht es darum, dass eine Frau quasi pausenlos arbeitet, um Geld zu verdienen. Das Geld reicht aber vorne und hinten nicht. So stellt sie sich in ihren Träumen vor, dass sie mit einem reichen Kerl ein angenehmeres Leben hätte und wenn sie keinen findet, in Monaco oder Las Vegas Glück beim Spiel hat, um ein unbeschwertes Leben zu führen. Echt jetzt?

Irgendwie hat mich dieser Abba Song dazu inspiriert das Thema Geld mit Hinblick auf die vier Schritte der gewaltfreien Kommunikation hin zu betrachten.

Achtsame Beobachtung zu Geld.

„Geld“ gibt es in unterschiedlichen Ländern als farbig bedruckte Scheine oder geprägte Münzen. Geld kann man achtsam mit allen Sinnen erfassen. (Wobei ich im folgenden den Geschmacks- und Geruchssinn unberücksichtigt lasse.)

Ich kann Geld sehen. Die Geldscheine sind rechteckig und unterscheiden sich in Farbe, Größe, Motiv oder Muster. Auf jedem Schein ist sein Wert aufgedruckt, der geringer ist als der Wert des Scheines selbst. Im Euro Raum gibt es 5, 10,20,50,100,200 und 500 Euro Scheine. Vorder- und Rückseite der Scheine sind mit unterschiedlichen Motiven gestaltet. Jeder Geld Schein ist zudem fälschungssicher, damit er nicht in kopierter Form als „Blüte“ in den Umlauf kommt. Für kleinere Beträge gibt es Münzen. Auf jeder Münze ist ihr Wert eingeprägt. Es gibt 1, 2, 5 , 10, 20, 50 Cent und 1 und 2 Euro Münzen. Die meist runden Münzen unterscheiden sich durch Größe, Material und eingeprägtem Motiv.

Ich kann Geld hören. Die Geldscheine rascheln anders als Tankbelege, Zeitungspapier oder Schreibpapier. Die Münzen geben blecherne Töne von sich, wenn sie im Portemonnaie mit anderen Geldstücken kollidieren oder wenn sie aufgrund der Erdanziehung fallen.

Ich kann Geld anfassen. Beim Betasten eines Geldscheines kann ich eine gewisse Struktur spüren. Die Münzen sind unterschiedlich geprägt. Die Cent und Euro Münzen sind am Rand unterschiedlich geprägt, so dass sie auch durch reines Betasten unterschieden werden können.

Die Menge des mir zur Verfügung stehenden Geldes erhalte ich, wenn ich das was gerade in meiner Geldbörse steckt zu dem addiere was ich auf meinem Konto- und/oder Kreditkartenauszug sehe. Da kommt in der Regel eine Zahl heraus die entweder größer, kleiner oder eben gleich Null ist. Wenn ich Geld ganz nüchtern ausschließlich mit meinen Sinnen betrachte (wie Geld riecht oder schmeckt, habe ich bewusst nicht beachtet), fällt mir auf, dass diese Scheine und Münzen alleine, nur für sich betrachtet, für mich völlig bedeutungslos sind. Wie geht es Dir wenn Du Geld mit Deinen Sinnen erfasst?

Wozu brauchen wir Geld?

Bedeutung bekommt das Geld erst in dem Moment, wenn ich es mit meinen Gedanken verknüpfe, überlege was ich damit anstellen kann und gegen welche Waren oder Dienstleistungen ich es tauschen kann.

Wenn ich auf den Kontoauszug des letzten Monats zurückblicke, dann brauchte ich mein Geld für Miete, Hypotheken, Ver- und Entsorgung (Strom, Heizung, Wasser, Internet), Lebensmittel und Drogerieartikel, wie zum Beispiel Toilettenpapier (um das Thema mal wieder aufzugreifen), Versicherungsbeiträge zur Sicherung unsere Geldes (falls eines der Risiken des Alltags einmal eintritt), Rücklagen für die Altersrente und Reparaturen, Urlaub und kulturelle Aktivitäten. Außer der monatlichen Kosten brauche ich Geld, für Mobiliar, Kleidung und Investitionen wie z.B. Auto, Fahrrad, Fernseher oder Computer.

Geld benutze ich also in erster Linie, um mir Bedürfnisse zu erfüllen. Geld ist demzufolge selbst kein Bedürfnis sondern ein Weg, um mir meine Bedürfnisse zu erfüllen.

An dieser Stelle bitte ich Dich einen Augenblick inne zu halten und eine Liste zu erstellen, wofür Du Dein Geld ausgibst und welche Bedürfnisse Du Dir damit erfüllst. Zum Beispiel könnte die Anschaffung eines Fernsehers die Bedürfnisse nach Zerstreuung, Ablenkung, Entspannung oder auch Spannung (je nach gewähltem Genre) erfüllen. Wenn ich ein 65″ Flatscreen anschaffe, um Bekannte zum Fußballschauen einzuladen, dann erfüllt es mir vielleicht Gemeinschaft oder Geselligkeit und vielleicht auch Beitragen oder „Gesehen werden“.

Geld und Gefühle.

Obwohl ich geschrieben habe, dass Geld für sich betrachtet eigentlich bedeutungslos ist, so steht dessen Vorhandensein beziehungsweise die Abwesenheit von Geld in gewissem Zusammenhang mit unserer Stimmungslage.

Stelle Dir bitte kurz vor, Du gehst zum Geldautomaten der Bank oder Sparkasse Deines Vertrauens und dort wird Dir die Ausgabe von Bargeld verweigert. Anschließend gehst Du zum Kontoauszugsdrucker, falls Dir die EC-Karte noch nicht eingezogen wurde, und Du siehst auf Deinem Auszug, dass Dein Kontostand mit einem kompletten Monatsnettoeinkommen (also z.B. € -2.097,- dem Durchschnittseinkommen aller Deutschen) im Minus ist. Welcher Gedanke geht Dir als erstes durch den Kopf? Wie fühlst Du Dich in diesem Moment? Ist es eher Sorglosigkeit oder Hilflosigkeit?

Angenommen, ich hätte am 15.Mai 2021 die Zahlen 2-5-15-25-26-41 auf einen Lottoschein geschrieben und abgegeben, dann hätte ich heute mit 6 Richtigen eine Summe von €1.068.884,20,- auf meinem Konto. Die Zahl selbst ist im Vergleich zu dem Betrag der in meiner Bilanz als Einnahmen steht groß und gleichzeitig hat dieser Betrag an sich keine Bedeutung. Es ist eine Zahl die auf einem Blatt Papier oder auf dem Computermonitor zu lesen ist. Bedeutung bekommt diese Zahl durch meine Gedanken, wenn ich beginne mir zu überlegen, welche Bedürfnisse ich mir damit erfüllen kann.

Ich könnte Freiheit genießen und die Welt bereisen, meine Schulden tilgen und ein sorgenfreies Leben führen. Oder ich könnte zur Entwicklung beitragen und eine Hilfsorganisation gründen, um Schulen in Afrika zu bauen oder Brunnen zu graben. Oder ich könnte meine Freude teilen und in meinem Lieblingslokal eine Runde nach der anderen spendieren. Alleine wenn ich mir vorstelle, dass ich mir diese Bedürfnisse erfüllen könnte, stellt sich ein Gefühl von Freude und Leichtigkeit ein. Kaum sind diese Gedanken gedacht, meldet sich jedoch auch mein innerer Zweifler und bringt Gedanken wie „Was ist bloß, wenn das Geld plötzlich entwertet wird?“ oder „Wie wäre es, wenn ich nur noch aufgrund meines Geldes anerkannt und geliebt werde?.“ in mein Bewusstsein. Schon räumt die Freude das Bewusstsein und gibt Gefühlen von Zweifel und Unsicherheit den Platz frei.

Gehe wieder kurz in Dich und frage Dich, was Du mit einer größeren Menge Geld machen würdest. Frage Dich im zweiten Schritt, welche Bedürfnisse Du Dir damit erfüllen würdest. Finde zu jedem Bedürfnis drei Wege, wie Du Dir diese Bedürfnisse auch erfüllen könntest.

Umgang mit Geld.

Wir Menschen gehen unterschiedlich mit Geld um. Den einen mag es weniger berühren, wenn der Kontostand, um ein Monatsgehalt in der Soll-Zone ist und andere mögen existentielle Ängste plagen, wie es denn zu schaffen ist aus der Schuldenzone wieder herauszukommen. Ich glaube das ist auf die Parameter Perspektive und Glaubenssätze zurückzuführen:

  • Perspektive: Wie kann ich wieder Geld erwirtschaften, um die entstandene Lücke zu füllen?
  • Glaubenssätzen: Was habe ich seit frühester Kindheit über Geld gehört und glaube, dass es wahr ist? Zum Beispiel:
    • „Geld regiert die Welt.“,
    • „Geld verdirbt den Charakter.“,
    • „Haste was dann biste was.“ bzw. „Haste nix dann biste nix.“
    • „Geld allein macht auch nicht glücklich.“,
    • „Geld hat man zu haben.“ (§275 BGB),
    • „Andere lieben mich nur aufgrund meines Geldes“ oder
    • „Über Geld spricht man nicht.“?

Diese und ähnliche Sätze schnappte ich seit meiner Kinderzeit von meinen Eltern und anderen Erwachsenen einprägsam auf. Wie war es denn früher in Familien? Da gab es Kinder die hatten von Hause aus irgendwie alles. Geld war nie ein Thema es war einfach da. Und dann gab es Kinder, da mussten beide Elternteile arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dementsprechend unterschiedlich werden auch die Geld-Glaubenssätze sein die jeder von uns gehört haben könnte. Ich erinnere mich noch daran, dass sich meine Eltern nicht alles leisten konnten was sie gerne gehabt hätten. Auch Sparsamkeit war stets ein Thema .

Wie leicht entwickelt sich aus dem Spruch „Haste was, dann biste was!“ ein „Haste mehr, dann biste mehr!“? Je mehr Geld jemand hat, desto höheres Ansehen genießt er. Also muss es doch erstrebenswert sein viel Geld zu besitzen. Ist das so, dass die Höhe des Einkommens auch den Selbstwert bemisst?

Eines ist zumindest sicher. Es ist von Vorteil ein Einkommen zu erzielen, das ermöglicht die Miete zu bezahlen, hungrige Mägen zu stopfen und vielleicht noch ein wenig für Urlaub oder andere Anschaffungen und ein paar Rücklagen zur Verfügung zu haben. Gerade in Familien besteht in diesem Umfeld ein hohes Konfliktpotential. Wie teilt man das Familieneinkommen am Nützlichsten? Besteht die Bereitschaft für den zweiwöchigen Italienurlaub die Anschaffung einer Sitzgruppe zurückzustellen? Über die unterschiedlichen Bedürfnisse zu reden hilft Lösungen zu finden, welche die Bedürfnisse aller erfüllen.

Auch hier lade ich Dich wieder ein inne zu halten und zu überlegen, welche Glaubenssätze Du über Geld kennst. Notiere diese Glaubenssätze und überlege im nächsten Schritt, wie dienlich Dir diese Glaubenssätze sind und welche Du gegebenenfalls transformieren möchtest. (Wenn Du Deine Glaubenssätze über Geld im Rahmen eines Coachings lebensdienlich transformieren möchtest, dann sprich mich gerne an. Eine Ausführung an dieser Stelle würde diesen Beitrag sprengen.)

Ausblick

Das Thema Geld kann man noch unter vielen anderen Gesichtspunkten betrachten. Da sind die Gehaltsverhandlungen beim ersten Job, da wird Geld zur Bestrafung eingesetzt und auch als Zeichen meiner Wertschätzung wie z.B. beim Trinkgeld. Außerdem regt Marshall B. Rosenberg an das Konzept von Geld in Wert zu transformieren. Deshalb werde ich es sicherlich nochmal in einem weiteren Beitrag aufgreifen.

Welche Ideen, Impulse oder Fragen hat dieser Beitrag bei Dir ausgelöst? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar dazu.

Hab ich da ein NEIN gehört?

Warum bekommen wir nicht was wir wollen? Weil wir nicht darum bitten. Warum bitten wir nicht? Vielleicht weil nicht wir nicht wissen, wie wir unsere Bitte ausdrücken oder weil wir befürchten ein „NEIN“ zu hören. Durch die Gewaltfreien Kommunikation (GFK) haben wir gelernt wie wir sorgsam eine Bitte formulieren. Wir nennen die Beobachtung, das Gefühl und das im Mangel geratene Bedürfnis und überlegen einen Weg wie wir dieses Bedürfnis gerne erfüllt bekämen. Dann drücken wir kurz und knapp unsere Bitte aus. Und dann bekommen wir trotz der sorgfältig vorbereiteten Bitte ein „NEIN“ zu hören. Was ist passiert?

Unterschiedliche Fragestellungen.

Es gibt unterschiedliche Fragestellungen. Bei einigen reagieren wir auf ein „NEIN“ weniger empfindlich als bei anderen. Wenn ich in einer fremden Stadt bin und den Weg zum Bahnhof suche, dann frage ich nach dem Weg. Höre ich als Antwort „Nein, ich kenne den Weg nicht.“ ist unser Bedürfnis nach Orientierung immer noch nicht erfüllt, wir werden es der Person nicht verübeln. So ist es bei allen intellektuellen Fragen. Entweder ich bekomme eine Antwort oder nicht. Und wenn nicht, dann versuche ich die Antwort eben auf anderem Weg zu bekommen. Ich frage eine andere Person oder recherchiere im Internet oder in einem Lexikon.

Ähnlich verhält es sich mit Fragen, ob jemand etwas getan hat oder ein bestimmtes Land besucht hat. Warst Du schon mal Gleitschirmfliegen? Warst Du jemals auf Mallorca? sind solche Fragen. Bei all diesen Fragen ist meine emotionale Betroffenheit eher gering.

Wie schaut es jedoch aus, wenn ich jemanden darum bitte etwas zu tun was mein Leben bereichert und ich höre dann ein „Nein“? Also bei Fragestellungen wie z.B.

  • Frage an Bekannte: „Möchtest Du am Wochenende mit mir Ausgehen?“
  • Frage an Freund: „Könntest Du mir am kommenden Samstag beim Umzug helfen?“
  • Frage an Partnerin: „Könntest Du noch heute Abend den Müll zur Tonne bringen? „
  • Frage an Kind: „Wärst Du bereit Dein Zimmer bis zum Ende der Woche aufzuräumen?“
  • Frage an Vorgesetzte: „Könntest Du mir zum neuen Jahr eine Gehaltserhöhung geben? „
  • Frage an Kollege: „Könntest Du ab kommenden Monat das Projekt übernehmen?“

Wie geht es Dir, wenn Du bei einer solchen oder ähnlichen Fragestellungen ein „NEIN“ hörst? Entsteht bei Dir ein Gefühl von Ärger oder Traurigkeit, dann nimmst Du das „NEIN“ vielleicht persönlich als Ablehnung Deiner Person. Oder aber hörst Du das „NEIN“ empathisch und erkennst, dass der Befragte einfach nur gut für sich selbst sorgt.

Empathischer Umgang mit dem „NEIN“.

Wann hast Du das letzte Mal zu etwas „NEIN“ gesagt? Ich bin sicher, Du hattest gute Gründe dafür. Genauso mag es Deinem Gegenüber ergehen. Vielleicht ist das „NEIN“ nicht im Einklang mit dessen Bedürfnissen und Werten, vielleicht wurde Deine Frage als Forderung gehört oder es gibt sachliche Gründe für das Nein.

Wenn Du das NEIN empathisch hörst, dann kann jetzt eine Klärung entstehen, die zu mehr Klarheit führt. Maßgeblich ist dabei die eigene Haltung. Wenn ich das „NEIN“ höre, dann höre ich das der Betreffende „JA“ zu etwas anderem sagt. Welche Bedürfnisse werden durch dieses „JA“ erfüllt. Welche Bedürfnisse könnten bei dem anderen in den Mangel geraten? Vielleicht ist der Zeitpunkt bereits verplant und es ist der betroffenen Person wichtig zu gemachten Zusagen zu stehen. Vielleicht besteht keine Klarheit darüber, aufgrund welcher Leistungen die Gehaltserhöhung gerechtfertigt werden kann. Nachdem die Klarheit geschaffen ist, welche Bedürfnisse auf beiden Seiten erfüllt werden, kann eine Lösung gefunden werden, die die Bedürfnisse aller erfüllt.

Bei Menschen von denen ich ein „NEIN“ höre, bin ich zuversichtlich, dass sie gut für sich selbst sorgen und bin umso sicherer, dass sie, sobald sie „JA“ sagen, auch mit ganzem Herzen dahinter stehen.

„NEIN“ hören üben.

Hast Du Lust das „NEIN“ hören zu üben? Dann lade ich Dich zu folgender Übung ein.

  • Stelle Dir bitte 3 Personen aus dem beruflichen und privaten Kontext vor und überlege für jeden eine Bitte, die Du dieser Person gerne stellen würdet oder Du vielleicht schon gestellt hast.
  • Formuliere die Bitten in unterschiedlichen Qualitäten, also „Nice to have“, „Bedeutsam“, „Herzenswunsch“.
  • Stell Dir die Situationen sinnlich vor und spüre wie es sich anfühlt, wenn die Bitte erfüllt wird.
  • Suche Dir einen Übungspartner und trage Deine Bitte(n) Deinem Übungspartner einzeln vor. Dein Übungspartner hat die Anweisung einfach nur mit „NEIN“ zu antworten.
  • Bevor Du zur nächsten Frage kommst, spürt beide nach wie es ergangen ist das „NEIN“ zu sagen und auch das „NEIN“ zu hören.
    • Wie hast Du dich gefühlt?
    • Wie hat sich in diesem Moment die Verbindung zwischen Fragendem und Befragten verändert?
    • Welche Unterschiede waren spürbar bei den unterschiedlichen Qualitäten?

Übrigens gehört „NEIN hören“ zu den sogenannten GFK Prozessen. Die Übersicht dazu habe ich Dir hier verlinkt.

Magst Du mir Deine Erkenntnisse als Kommentar hinterlassen?

Lass‘ mich in Ruhe!

Stell Dir vor Du bist unter Termindruck, weil Du ein wichtiges Dokument innerhalb der nächsten 30 Minuten fertig stellen möchtest. Da kommt Deine Frau oder Dein Kind mit einem wichtigen Anliegen ins Homeoffice. Oder im Büro kommt ein Kollege auf Dich zu und hat eine Frage bezüglich eines Unternehmensprozesses oder mag einfach seine privaten Erlebnisse teilen. Wie reagierst Du in solchen Momenten? „Du entschuldige, ich habe gerade keine Zeit!“ ist vielleicht Deine Reaktion. Es folgt „Ach sei doch nicht so, ist nur ganz kurz!“ wird Dir entgegnet und man beginnt Dir sein Anliegen zu auszudrücken. Du wurdest offensichtlich in Deinem Bedürfnis nach Ruhe, um störungsfrei und effizient zu arbeiten nicht wahrgenommen. Das einzige Mittel scheint ein Hilferuf wie z.B. „Lass‘ mich bitte in Ruhe!“ oder „Zisch‘ ab!“ oder „Raus!“.

Das klingt jetzt nicht sehr gewaltfrei, oder? Jede der genannten Aussagen drückt aus, was die andere Person jetzt unmittelbar tun soll. Vielleicht gehst auf deren Anliegen ein, weil Du Dich um die Beziehung sorgst oder einfach nett sein willst. Dadurch verkürzt sich jedoch Deine Zeit und deine Anspannung steigt. Also alles in allem gehst Du in diesem Fall auch nicht gerade besonders fürsorglich mit Dir selbst um, oder?

Verbale Selbstverteidigung – der Giraffenschrei.

Bei solchen Begebenheiten oder auch in Situationen von Angst oder Panik, wenn alte Wunden aufgerissen werden oder Menschen die sich nicht (mehr) um sich selbst kümmern können, wie z.B. ältere Menschen oder Kinder, verbal oder körperlich angegriffen werden, hilft der sogenannte Giraffenschrei. Dabei nutzen wir unsere Energie und drücken klar aus was wir brauchen ohne den anderen zu maßregeln.

Wir sagen oder rufen einfach „Stopp!“, so dass der andere unmissverständlich weiß, dass Du Dich in „Not“ befindest. Füge noch dein Bedürfnis hinzu, welches gerade in dieser Situation im Mangel ist. „Stopp!!! Ich brauche gerade Ruhe, um konzentriert zu arbeiten.“ oder „Stopp! Dieses Thema ist für mich gerade ganz schwer zu ertragen.“ Verwende möglichst kurze und prägnante Sätze. Um die Ernsthaftigkeit des Stopp-Signals zu unterstreichen, empfiehlt sich die Aussage durch klare Gesten zu unterstreichen.

Wie man das stoppen ausdrücken kann, zeigt das folgende Video besonders anschaulich 🙂

Übrigens ist der sogenannte Giraffenschrei einer der GFK Prozesse. Wenn Du die Übersicht zu den GFK Prozessen sehen möchtest, dann folgen dem Link.

In welchen Situationen würdest Du den Giraffenschrei gerne mal ausprobieren? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.

Super Typ und schönste Frau.

Wie oft hören wir Sätze wie „Da hast Du einen tollen Job abgeliefert!“, „Das ist ja eine nette Geste!“, „Du bist ja ein super Typ!“ oder „Du bist die schönste Frau die mir je begegnet ist.“ oder so ähnlich. Vielleicht sagen wir zu unseren Kindern „wie fein“ sie etwas gemacht haben oder zu unserem Partner wie „schick“ sie sich gemacht hat, wenn wir gemeinsam ausgehen. Auch im Berufsalltag können wir Bewertungen wie „grandiose Leistung“ oder „klasse gemacht“ durchaus hören. Klingt das gut und ist die Freude über diese Komplimente groß? Es sind unter dem Strich Urteile, die der Bewertungsskala des Gesprächspartners entspringen. Lasst uns überlegen wie man das anders machen kann.

Der Empfänger der Nachricht „Bester Verkäufer des Monats“ ist vielleicht nur in diesem Monat der Beste und vermutlich ist er auch nicht ganzheitlich der Beste sondern einfach nur der umsatzstärkste Mitarbeiter. Im nächsten Monat kann sich das Blatt wenden und ein anderer Mitarbeiter wird gelobt.

Zu anderer Gelegenheit hören wir aus den gleichen Mündern vielleicht „Das war ja wohl gar nichts, was Du da geleistet hast!“, „Nein, das ist nicht ordentlich!“ oder „Was? So willst Du heute mit mir ausgehen?“. Wie reagieren wir auf solche Aussagen? Gekränkt? Irritiert? Das einzige was wir hier erfahren ist, dass wir uns auf der Bewertungsskala unseres Gesprächspartners eher im unteren Segment bewegen.

Unterschiedliche Arten von Anerkennung.

Kennt ihr Bekannte die schon mal darüber geschwärmt haben, wie toll ihr Mann ist? Nicht selten entstehen Bilder und ihr denkt vielleicht an Fußballprofi Rurik Gislason oder Leonardo DiCaprio. Und dann seht ihr die Person und denkt „Was ist denn an dem so super?“. Vielleicht wird er nicht aufgrund seines BMI als super bewertet, sondern weil er liebevoll mit den Kindern umgeht. Oder in der Wohnung alles mögliche reparieren kann. Es liegt eben im Auge des Betrachters.

Als Lob oder Kompliment bezeichne ich die Form der Anerkennung die den Fokus auf moralistischen Bewertungen wie gut und schlecht hat. Beim Lob ist der Urteilsmaßstab die eigene Auffassung. Dabei kann es vorkommen, dass Lob manipulativ eingesetzt wird in der Form: „Du bist doch soooo gut darin XXX zu machen, kannst Du morgen nicht mal schnell ZZZ machen?“

Als Wertschätzung bezeichne ich die Form der Anerkennung die den Fokus auf den Wert lege, den eine Handlung für mich hat. Der Fokus liegt dabei auf unseren Gefühlen. Wir möchten feiern, dass Bedürfnisse erfüllt und unser Leben in dieser besonderen Form bereichert wurde.

Wertschätzung ist ein Bedürfnis.

Beginnend mit der Schulzeit haben wir gelernt, dass wir mit unserem Lernerfolg den Vorstellungen des Schulsystems entsprachen mit Noten auf einer Skala von 1 bis 6 bewertet werden. Konnten wir das Gelernte sehr gut reproduzieren gab es eine 1 und wenn nur ungenügend, dann eben eine 6. Kamen wir von der Schule nach Hause wurden wir von den Eltern entsprechend gelobt oder getadelt. Das hat jedoch nichts mit Wertschätzung zu tun.

Wertschätzung selbst ist ein Geschenk. Wenn wir hören, dass wir wertgeschätzt werden und wie wir das Leben eines anderen bereichert haben, werden wir selbst beschenkt. Denn einerseits ist unser Bedürfnis nach Wertschätzung erfüllt und andererseits lernen wir, durch welche konkrete Handlung, welches Gefühl entstand und welches Bedürfnis erfüllt wurde. So erfahren wir, wie der andere „tickt“, es entwickelt sich Klarheit, stärkt die Verbindung und letztlich auch Vertrauen. Also jene Bedürfnisse die in Partnerschaft, Erziehung und Zusammenarbeit wichtig sind.

Und was können wir tun, wenn unser Kind nun doch mit einem ungenügend nach Hause kommt? Trotz Trauer oder Sorge über die Benotung, können wir dem Kind sagen, dass wir glücklich sind, dass wir eine robuste Verbindung zu unserem Kind haben, dass es sich sicher fühlt und uns angstfrei diese Leistung präsentiert.

Wertschätzung ausdrücken.

Um Wertschätzung auszudrücken nutzen wir die folgenden drei Elemente: konkrete Beobachtung auf die wir uns beziehen, angenehmes Gefühl und erfülltes Bedürfnis bzw. erfüllte Bedürfnisse. Um bei dem Vergleich mit dem Kind mit der Schulnote 6 zu bleiben, muss der Fokus nicht auf die in der Vergangenheit erbrachte Leistung gelegt werden sondern auf das aktuelle Geschehen. „Wenn ich sehe, dass Du mir die Klassenarbeit zeigst (Beobachtung), bin ich glücklich (Gefühl), weil ich sehe wie stark unsere Verbindung ist und wie sehr Du mir vertraust (Bedürfnisse). “ Dieser Fall bedarf natürlich einer entsprechenden Vorerfahrung.

Und was ist jetzt mit dem „tollen Typen“? Auch hier geht es um Klarheit. Auf welche Beobachtung beziehe ich mich? Sind es die Muskeln, die mir ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, ist es der Humor, der zu meiner Entspannung beiträgt, ist es die Wahl der Bekleidung, die mir Ästhetik und Schönheit erfüllt oder ist es einfach die einfühlsame Art mit seinen Mitmenschen umzugehen? Und genau darin liegt für mich die Schönheit der Wertschätzung. Einerseits die Klarheit und andererseits die Universalität, denn irgendetwas, dass sich wertschätzen lässt, findet sich mit ein wenig Übung immer.

Schwierigkeit Wertschätzung auszudrücken.

Es gibt Menschen, denen fällt eher auf was schief läuft als das was gut läuft. „Net geschennt ist Lob genug.“ ist da wohl ein Sprichwort, dass ich nicht nur aus der hessischen Mundart kenne. Wenn die Dinge eben laufen, dann scheint es keinen Grund zu geben das zu erwähnen. So wird selten erkannt, dass das Geschirr in die Spülmaschine geräumt wurde als wenn es nur oben drauf steht.

Vier Wege zur Erfüllung.

Es gibt unterschiedliche Wege das Bedürfnis nach Wertschätzung zu erfüllen:

  • Hat jemand etwas getan, dass Dein Leben bereichert? Dann drücke Wertschätzung ihm gegenüber aus.
  • Hast Du etwas getan, dass Dein Leben bereichert? Dann drücke Wertschätzung Dir gegenüber aus.
  • Hast Du etwas getan, dass das Leben eines anderen bereicherte? Dann drücke Wertschätzung Dir gegenüber aus.
  • Hast Du etwas getan, dass das Leben eines anderen bereicherte und wünschst Dir einen Ausdruck von Wertschätzung? Dann bitte den anderen darum Dir seine Wertschätzung auszudrücken.

Wenn Du Wertschätzung direkt ausprobieren magst, dann denke einfach mal an den Superheld oder die Superheldin Deiner Kindheit. Wer war das? Wofür möchtest Du Ihnen Wertschätzung geben? Formuliere was Du Ihnen sagen möchtest.

War dieser Artikel nützlich? Hinterlasse mir gerne einen wertschätzenden Kommentar ;-).

Ostern – Scheitern, Trauern, Neubeginn.

Ostern, Ostereier im Gras

Jedes Jahr zur Osterzeit werden die Uhren um eine Stunde vorgestellt, so dass es abends länger hell ist. Die Temperaturen steigen und die Natur beginnt aus dem Winterschlaf zu erwachen. Die Christen feiern Ostern am ersten Wochenende nach dem ersten Vollmond im Frühling und in mir weckt die Ostergeschichte jeses Jahr die Metapher von Scheitern, Trauern und Neubeginn.

Die Christliche Ostergeschichte.

Ich erinnere mich in etwas so an die christliche Ostergeschichte: Jesus ritt am Sonntag vor Ostern auf einem Esel nach Jerusalem, um mit anderen Juden das Pascha-Fest zu feiern. Die Leute hatten schon viel von ihm gehört und freuten sich, dass er mit Ihnen feiern wollte. Den Staatsoberhäuptern war es gar nicht recht, dass Jesus wie ein König gefeiert wurde und suchten ihn. Jesus ahnte, dass „etwas im Busch war“ und feierte am Gründonnerstag mit seinen Jünger das Abendmahl. Anschließend wurde er verraten, am Karfreitag zum Tode verurteilt und ans Kreuz genagelt.

Ein Freund beerdigte Jesus anschließend in einer Grabhöhle und rollte zur Sicherheit einen Stein davor. Am Ostersonntag kamen Frauen an das Grab, um den Leichnam zu pflegen und entdeckten das leere Grab. Ein Engel berichtete, dass Jesus wieder lebendig sei. Er begegnete an diesem Tage auch noch Maria Magdalena zu der er meines Erachtens ein ganz besonderes Verhältnis hatte. Am Ostermontag begleitete er noch zwei seiner Jünger nach Emmaus. Sie erkannten ihn und verbreiteten das Wunder der Auferstehung.

Scheitern, Trauern, Neubeginn.

Scheitern definiere ich als „ein angestrebtes Ziel nicht erreichen“. Da Jesus keines natürlichen Todes starb und sicherlich andere Pläne verfolgen wollte, als sich am Karfreitag ans Kreuz nageln zu lassen, betrachte ich seinen Tod erstmal als Scheitern. Denn offensichtlich war das was er tat, die heilsamen Wunder und seine Beliebtheit nicht im Einklang mit den Bedürfnissen mancher „Stakeholder“. Jesus Anhänger betrauerten den leidvollen Tod am Kreuz und feiern noch heute also knapp 2000 Jahre danach das Wunder der Auferstehung.

Wow! Rückblickend kann man wohl nicht mehr von Scheitern sprechen. Ganz im Gegenteil, hätte Jesus einfach so weitergemacht, wäre das „Wunder“ ausgeblieben und heute würde wohl kaum einer mehr darüber reden.

Blicken wir auf unser eigenes Leben zurück. Irgendwann versuchte vermutlich jeder von uns aufrecht zu gehen. Klappte das beim ersten Versuch? Sicher nicht. Als wir als Kleinkinder laufen lernten fielen wir ca. 100 mal pro Tag hin. Wir ließen uns von unserem Scheitern nicht beirren, blieben dran und probierten es einfach weiter. Scheinbar hatten wir die Idee, dass wir davon profitieren könnten. Wir wollten uns entwickeln, unseren Aktionsradius vergrößern und sicherlich auch dazugehören. Kurz wir wollten unsere Bedürfnisse erfüllen und ließen diese Bedürfnisse nicht aus dem Fokus. Die Bitte ans uns selbst war: Probiere es gleich noch einmal.

Konstruktiver Umgang mit Scheitern.

Blicke ich auf mein Leben zurück, so gab es mehrere Stationen meines Lebens wo ich scheiterte wie z.B. Verlassen des Gymnasiums nach der 10. Klasse, Projekte die nicht liefen wie geplant und Beziehungen die lange vor der „Scheidung durch den Tod“ endeten. Rückblickend betrachtet traurige, teilweise traumatische Erlebnisse, die ich heute noch bedaure und gleichzeitig jeden daraus entstandenen Neubeginn feiere.

Wenn Du auch konstruktiv mit Deinem Scheitern umgehen magst, lade ich Dich ein Deinen Blick zurückzuwerfen und Dir die folgenden Fragen zu stellen:

  • Was wollte ich ursprünglich erreichen? Was war mein Vorhaben, mein Plan?
  • Welche konkrete Beobachtung macht mich glaubend, dass ich „gescheitert“ bin?
  • Welche Erkenntnisse habe ich gewonnen? (Dadurch ist mein Bedürfnis nach Entwicklung schon mal erfüllt.)
  • Wenn ich daran denke, welche Gefühle sind noch präsent, ?
  • Welche Bedürfnisse wollte ich mir mit diesem Vorhaben erfüllen?
  • Welche anderen Wege gibt es diese Bedürfnisse zu erfüllen?
  • Welchen Weg möchte ich als nächstes einschlagen, um meine Bedüfnisse zu erfüllen?

Scheitern feiern.

Ich habe den Eindruck, dass Scheitern im gesellschafltichen Kontext verpönt ist. Diese Sichtweise bedaure ich, denn gerade durch Scheitern kann Entwicklung beginnen und jede Form von Entwicklung bietet Anlass zum Feiern. So ist Ausprobieren, Scheitern, Trauern und Dranbleiben schließlich ein Schlüssel zum Erfolg.

Die Geschichten des Scheiterns können dabei auch viel interessanter und unterhaltsamer sein als eine geradlinige Geschichte des Erfolges. Vielleicht sind aus dieser Idee heraus die sogenannten Fuck-Up Nights entstanden. Nein, hier geht es um nichts obszönes. Es geht um eine globale Bewegung, die sich zum Ziel gesetzt hat Scheitern nicht zu stigmatisieren sondern zu kultivieren und zu feiern.

Magst Du mir einen Kommentar hinterlassen und Deine Geschichte teilen?

Spanisch für Anfänger

Beim Aufräumen habe ich gerade meine alten Spanisch-Lernbücher entdeckt. Dabei erinnerte ich mich, weshalb ich mit Anfang 30 begann Spanisch zu lernen und wie motivierend Sinnhaftigkeit sein kann.

Mitte der 90er Jahre war ich bei einem amerikanischen Automobilzulieferer zuständig für die EDV Anwendungen die innerhalb von Europa zur Entwickung von Automobil-Teilen verwendet wurden. Ich war oft auf Dienstreise, um die einzelnen Standorte zu besuchen. Als ich das erste Mal nach Barcelona reiste, kam ich spät abends am Flughafen an.

Hinter der Gepäckausgabe wartete bereits Carlos, der Chauffeur. Er hielt ein Schild mit dem Firmenlogo und meinem Namen so hoch, dass ich ihn auf keinen Fall verfehlen konnte. Er begrüße mich mit einem freundlichen „Hola! Que tal?“. Ich grinste und ich wusste nicht was ich sagen sollte, denn ich verstand kein Wort Spanisch.

Carlos, der Chaffeur

Er schnappte sich mein Gepäck und brachte mich zu seinem Wagen. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz. Auf dem Weg zum Hotel erklärte er mir mit Begeisterung alle bedeutsamen Orte und Straßen die wir passierten: Placa Espana, Montjuic mit den Anlagen der Olympiade von 1992, Gran Via, Placa Catalunya, Las Ramblas. Er zeigte überall hin und erzählte. Ich lauschte seinen Worten und verstand kein Wort. Ich sorgte mich eher, ob er vor lauter Euphorie überhaupt den Straßenverkehr im Blick hat. Das schien für ihn kein Problem zu sein. Im Hotel angekommen, begleitete er mich zur Rezeption des Hotels. Die Rezeptionistin verstand Englisch und konnte so den Abholtermin für den kommenden Morgen arrangieren. Das war der Weg der Verständigung.

Die kommenden Tage verliefen nach dem gleichen Schema. Carlos holte mich pünktlich am vereinbarten Ort ab, fuhr mich entweder ins Hotel oder in die Firma und erzählte mir während der Fahrt die schönsten Geschichten, die ich leider alle nicht verstand. Was ich verstand, war seine Begeisterung und seine Leidenschaft für das was er erzählte. Am Ende der Dienstreise fuhr er mich zum Flughafen und ich verabschiedete mich mit einem knappen „Gracias. Adios.“

Ich will Spanisch lernen.

Auf dem Heimflug ließ ich die Begegnung mit Carlos nochmals an mir vorüberziehen. Ich war frustriert, denn ich konnte mich nicht so mit ihm verständigen, wie es mir wichtig gewesen wäre. Mein Frust über mein Unvermögen mit ihm verbal zu kommunizieren, war groß und ich richtete die Bitte an mich Spanisch zu lernen.

Der nächste Gedanke war eher zweifelnder Natur. Schaffe ich das? Mein Glaubenssatz meldete sich wieder: „Ich kann keine Fremdsprachen lernen.“ Den hatte ich während der Schulzeit entwickelt. Aber mein Wille mit Carlos zu reden war stärker als der Glaubenssatz, so verwandelte er sich rasch in ein: „Ich kann Spanisch lernen.“

Kurzum meldete ich mich bei der VHS zu einem Spanisch Grundkurs an. Ich nutzte jede freie Minute, um neue Vokabeln zu lernen. Ich hatte sogar Spaß daran, obwohl es ebenso beschwerlich war wie früher in der Schule. Ein halbes Jahr später reiste ich wieder nach Barcelona und konnte Carlos, den Chauffeur immerhin mit „Hola! Que tal?“ begrüßen. Wie beim ersten Mal erzählte er mir einiges und ich verstand zumindest schon das ein oder andere Fragment. Ich stellte Fragen, obwohl ich die Antworten nicht vollständig verstand. Ich war zufrieden und froh. Froh darüber, dass ich meinen Glaubenssatz über Bord geworfen habe und mich über meine paar Brocken Spanisch mit Carlos verbinden konnte. Der erste Erfolg motivierte mich dran zu bleiben. Mein Wortschatz verbesserte sich und so konnte ich mich bei nachfolgenden Besuchen immer besser mit Carlos verständigen. Auch die Abende konnte ich in weniger touristischen Lokalen verbringen, wo ich auch ohne auf Essensbilder zu zeigen bekam was ich wollte.

Motivation durch Sinnhaftigkeit.

Rückblickend entstand meine Motivation nicht dadurch, dass mir jemand sagte, ich müsse Spanisch lernen, damit ich mich damit irgendwann mal mit einem spanischen Taxifahrer unterhalten könne. Wäre dem so gewesen, hätte mir diese Vorstellung alleine vermutlich nicht ausgereicht, um meine Freizeit mit Vokabellernen zu verbringen. Mein eigenes Erleben feuerte meine Motivation an, um mit Freude mehr zu tun als erforderlich. Das mühsame Lernen der Vokabeln machte plötzlich Sinn. Und jedes Tun, das für mich auf irgendeine Art und Weise einen Sinn ergibt resultiert auch in Freude und Erfolg. Weiterhin erfüllte ich mir auch ein Bedürfnis nach nachhaltiger Entwicklung. Mein Bedürfnis nach Autonomie war erfüllt, denn ich brauchte keinen Übersetzer mehr. Das nützte mir noch Jahre später beim Pilgern auf den Jakobswegen.

Fazit

Ich bin davon überzeugt, dass es im Leben Begegnungen, ähnlich zu meiner Begegnung mit Carlos braucht, um wenig lebensdienliche Überzeugungen über Bord zu werfen. So öffnen sich neue Wege und Erfahrungen.

Sinnhaftigkeit war meine zündende Motivation, um Spanisch zu lernen und die ersten kleinen Erfolge lieferte die Energie, um dranzubleiben. So wurden mir durch erlernen der spanischen Sprache, außer der Sinnhaftigkeit auch die Bedürfnisse nach Autonomie, Verständigung, Entwicklung, Wachstum und Selbstwirksamkeit erfüllt. Klasse, oder?


Welche Begegnungen brachten Dich nachhaltig weiter? Wodurch wirst Du angetrieben? Was motiviert Dich? Wie erfüllst Du Dir täglich Dein Bedürfnis nach Sinnhaftigkeit im Alltag? Gibt es auch sinnlose Tätigkeiten in Deinem Alltag?

Magst Du mir dazu einen Kommentar hinterlassen?

Maskerade.

Maskerade, Karneval
(c) 2021 Peter H. Schmitt

Es ist wieder einmal soweit. Am 11.11. begann für alle Karnevalisten die närrische, fünfte Jahreszeit. Ohne die Covid-19 Pandemie wären bereits jetzt die „Narren“ unterwegs zu den Karnevalssitzungen, um kostümiert und ausgelassen zu feiern. In 2021 ist das anders. Die Höhepunkte der Faschingszeit zwischen der „Weiberfastnacht“ über Rosenmontag, mit großen prunkvollen Umzügen in Mainz, Köln, Düsseldorf bis Faschingsdienstag werden wohl erst wieder im kommenden Jahr erreicht. Dennoch wird auch in diesem Jahr am Aschermittwoch alles vorbei sein.

Ich erinnere mich gerne an die närrische Zeit in meiner Kindheit zurück. Ich verkleidete mich als Clown, Cowboy oder als Sherlock Holmes und hatte viel Spaß auf den bunten Kindermaskenbällen. In der Mittelstufe verkleidete ich mich einmal als Putzfrau mit Kopftuch, Perücke und Kittel. Ein paar Mädels schminkten mich so gekonnt, dass ich mit Ihnen das Kostümfest ihrer Mädchenschule mitfeiern konnte. Zumindest so lange bis ich enttarnt wurde.

Auch heute habe ich immer noch Spaß daran auf Maskenbälle zu gehen, um die ausgelassene Stimmung in Gemeinschaft zu genießen. Auch zu Entdecken in welchen Kostümierungen sich Freunde, Nachbarn und Bekannte zeigen. In diesem Blog geht es um Empathie im Alltag, ich teile meine Gedanken zur Maskerade und wie sich das Bewusstsein für Empathie anhand der Maskerade vertiefen lässt.

Weshalb verkleiden sich die Leute so wie sie sich eben verkleiden?

Wenn ich an das närrische Treiben denke, stelle ich mir die Frage: Weshalb verkleiden sich die Leute so wie sie sich eben verkleiden?

Mit möglichst gruseligen Hexen-Masken endlich die bösen Wintergeister zu vertreiben, ist sicherlich ein ursprünglicher Grund für die Maskerade. In manchen Regionen Deutschlands wird diese Traditionen aufrechterhalten. Hier ist die Maskerade ein Teil der Heimatverbundenheit, der Identität.

Die Vermutung liegt nahe, dass sich bei der Maskerade viel um Identität dreht. Durch die Maskerade kann jeder in eine andere Rolle schlüpfen und sich unter anderer Identität ausprobieren. So geht die Teamleiterin vielleicht als Putzfrau, um „Männer abzustauben“ und der Kfz-Mechaniker als Schiffskapitän, um die Begleitung für die große Fahrt zu gewinnen.

Möchten durch eine Verkleidung auch einfach andere Teile eigener Identität gezeigt werden? So geht der eher umtriebige Mann als Mönch oder die zurückhaltende Frau als Vamp. Vielleicht ist es aber auch genau das Gegenteil und es geht darum Teile der Identität besonders herauszustellen. So geht vielleicht der stille und besonnene Mann als Mönch und die extrovertierte Frau als Vamp.

Wie ist es für Dich?

An dieser Stelle lade ich Dich ein zu erforschen:

  • Welche Kostüme hast Du in der Vergangenheit getragen?
  • Wie würdest Du Dich gerne einmal maskieren?
  • In welche Rolle würdest Du gerne einmal schlüpfen?
  • Besteht eine Verbindung zwischen der Maskerade und Dir? Wenn ja, welche?

Welche Bedürfnisse werden durch die Maskerade erfüllt?

Jede Handlung ist eine Strategie um Bedürfnisse zu erfüllen. Welche Bedürfnisse erfüllen sich durch die Maskerade?

Ich erinnere mich noch daran, als ich einmal unmaskiert auf einen Maskenball ging. Es war in einer Zeit, als ich einfach keine Lust hatte mich zu verkleiden und dennoch feiern wollte. Da war Leichtigkeit sehr vordergründig. Als ich auf der Party ankam, fühlte ich mich wie ein „Außerirdischer“ (Achtung: bildhafte Vergleiche deuten auf Pseudogefühle hin) mit meiner Alltagskleidung. Nahezu alle Gäste waren maskiert. Obwohl ich mit Freuden unterwegs und mein Bedürfnis nach Gemeinschaft erfüllt war, so war mein Bedürfnis nach Zugehörigkeit in diesem Moment im Mangel.

Beim Besuch eines Maskenballs im Fasching erfüllen sich die Bedürfnisse nach Feiern und Gemeinschaft. In dem ich mich kostümiere, gehöre ich dazu, bin ich Teil der närrischen Gemeinschaft und Teil eines größeren Ganzen. Vielleicht auch das Trauern, wenn die närrische Zeit vorbei ist und für Fastende die Zeit des Verzichts beginnt.

Bei der Gestaltung des Kostüms und vielleicht auch der Schminke, kann es um Kreativität, um Schönheit und um „Gesehen-werden“ gehen. Maskiert eine andere Rolle anzunehmen bietet auch Schutz. Je intensiver die Maskierung und die Schminke, desto höher ist der Schutzfaktor. Vor allem der Schutz der eigenen Privatsphäre. Dieser Schutz wiederum bietet eine gewisse Freiheit. Bedürfnisse wie weibliche oder männliche Identität, werden schließlich durch die Maskerade bestimmt.

Bei jeder Faschingsparty sind auch einheitlich kostümierte Gruppen wie z.B. eine Fußballmannschaft, die Schlümpfe oder Schneewittchen und die Sieben Zwerge zu sehen. Diese Gruppen erfüllen sich u.a. Gemeinschaft, Verbindung, Zugehörigkeit, Gesehen werden, Beteiligung.

Mich bringt Fasching auch immer in Verbindung mit meinem Vater und meiner Mutter, die beide in der Nachkriegszeit in Karnevalsvereinen waren und sich dort kennenlernten.

Was verbindet Dich mit Fasching und Deiner Maskerade?

An dieser Stelle lade ich Dich auch wieder ein zu erforschen, welche Bedürfnisse Du Dir durch ein bestimmte Kostümierung erfüllst oder welche Bedürfnisse sich jemand anders durch seine Kostümierung erfüllt.

  • Beschreibe die Makerade ohne sie zu bewerten. zB ein Cowboy hat einen Cowboyhut, ein Pferd, Stiefel, eine Pistole).
  • Mit welchen Attributen würdest Du die Maskerade beschreiben? Ein Cowboy ist männlich, abenteuerlustig, freiheitsliebend, einsam, naturverbunden, etc.
  • Stelle Dir vor Du wärst maskiert. Wie fühlst Du Dich maskiert?
  • Fühle Dich in die Rolle ein. Wie fühlst Du Dich in der Rolle?
  • Gibt es einen Unterschied zwischen der Maskierung und der Rolle?
  • Welche Bedürfnisse erfüllt Dir die gedachte Maskerade und welche nicht? Welche Bedürfnisse sind in der Rolle erfüllt und welche nicht?

Wie erging es Dir mit der Übung? Hast Du Fragen oder möchtest gerne Erkenntnisse teilen? Dann hinterlasse einen Kommentar.