Vom Umgang mit Angst, Phobie und der Sehnsucht nach Sicherheit
Die Nachrichtenlage ist bedrückend. Direkt hinter der polnischen Grenze tobt ein Krieg, im Nahen Osten eskaliert die Gewalt, die Auswirkungen des Klimawandels werden immer spürbarer – und je nach Laune des amerikanischen Präsidenten schwanken die Aktienkurse. Kein Wunder also, dass viele Menschen sich sorgen. Sorgen um ihre Kinder, ihre Freunde – und um sich selbst.
Doch was genau unterscheidet eigentlich eine Sorge von Angst – oder gar einer Phobie?
Sorgen – Gedanken an eine ungewisse Zukunft
Sorgen entstehen im Kopf. Sie drehen sich um mögliche zukünftige Ereignisse und deren unangenehme Folgen.
Ich sorge mich, dass mein Kind im Schulbus in einen Unfall verwickelt wird. Oder dass meine Eltern stürzen. Ich frage mich, ob ich mir meine Wohnung auch nächstes Jahr noch leisten kann – oder ob die Inflation meine Ersparnisse auffrisst.
Sorgen sind gedanklich erzeugte Szenarien, mit denen wir versuchen, Kontrolle über das Ungewisse zu gewinnen. Sie können hilfreich sein, weil sie uns auf potenzielle Gefahren aufmerksam machen – aber auch lähmen, wenn sie sich ständig wiederholen und keinen Handlungsspielraum mehr lassen.
Angst – eine körperlich spürbare Reaktion
Angst geht einen Schritt weiter. Sie ist mehr als ein Gedanke: Sie ist körperlich spürbar. Herzklopfen, enge Brust, flacher Atem – der Körper reagiert, als wäre eine reale Bedrohung vorhanden.
Angst entsteht häufig in Situationen, in denen wir uns akut bedroht oder überfordert fühlen – selbst wenn die Gefahr nur gedanklich ist. Sie ist intensiver als Sorge, unmittelbarer – und schwieriger zu kontrollieren.
Manche Menschen werden durch Angst zum Handeln motiviert, andere ziehen sich zurück oder erstarren.
Phobien – wenn die Angst krankhaft wird
Phobien sind übersteigerte, oft irrational wirkende Ängste, die sich auf bestimmte Objekte oder Situationen beziehen – etwa Spinnen, Höhen oder das Sprechen vor Gruppen. Sie entziehen sich in der Regel der bewussten Kontrolle und schränken das Leben der Betroffenen stark ein.
Im Gegensatz zu alltäglicher Angst oder Sorge lassen sich Phobien selten allein bewältigen. Hier ist oft professionelle Unterstützung hilfreich.
Was kann ich konkret tun?
Auch wenn wir die großen Themen unserer Zeit nicht allein lösen können – wir sind nicht ohnmächtig. Hier ein paar Möglichkeiten, die uns Handlungsspielraum zurückgeben:
- Persönliches Verhalten: Weniger Auto fahren, weniger fliegen, Fleischkonsum reduzieren, bewusster mit Energie umgehen – all das hat Wirkung.
- Politisches Engagement: Wählen, Petitionen unterstützen, Politiker kontaktieren, demonstrieren – unsere Stimme zählt.
- Gemeinschaftliches Handeln: In lokalen Initiativen mitwirken, Nachbarn informieren, Netzwerke nutzen.
- Bildung & Kommunikation: Fakten weitergeben, Gespräche führen, Bewusstsein schaffen: offline wie online.
- Finanzentscheidungen: Nachhaltige Banken, faire Produkte, bewusster Konsum – Geld wirkt.
- Berufliche Einflussnahme: Nachhaltigkeit in den Job integrieren oder beruflich neu ausrichten.
- Lokales Engagement: Kommunalpolitik mitgestalten, städtische Projekte unterstützen, Regionalität fördern.
Die Rolle der Gewaltfreien Kommunikation
Die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) betrachtet Gefühle wie Sorgen, Angst oder auch Phobien nicht als Problem – sondern als Hinweisgeber auf unerfüllte Bedürfnisse:
- Sorge kann auf Sicherheit oder Verantwortung hinweisen.
- Angst auf Schutz, Klarheit oder Vertrauen.
- Hinter einer Phobie stehen häufig tiefere Bedürfnisse wie Stabilität, Zugehörigkeit oder Heilung.
Der Schlüssel liegt darin, Gefühle nicht zu bekämpfen, sondern als Wegweiser zu nutzen. Wenn ich Angst empfinde, kann ich mich fragen: Was brauche ich gerade wirklich?
Konkrete Selbsthilfe-Schritte
Wenn du merkst, dass dich Sorgen vereinnahmen:
- Innehalten & atmen – schon ein bewusster Atemzug kann helfen.
- Gedanken hinterfragen – ist das realistisch oder ein Worst-Case-Szenario?
- Bedürfnis erkennen – was ist mir gerade wichtig?
- Handlung prüfen – was kann ich tun – jetzt, konkret? Und wenn nichts geht: Wie kann ich mir Halt geben?
Fazit: Von der Sorge zur Selbstverbindung
Sorgen, Ängste und sogar Phobien sind zutiefst menschlich. Sie sind Ausdruck unseres Wunsches nach Sicherheit, Orientierung und Einflussnahme.
In der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir, diese Gefühle ernst zu nehmen – nicht als Gegner, sondern als Kompass. Sie zeigen uns, welche unserer Bedürfnisse gerade ungehört geblieben sind.
Wenn wir aufhören, uns in Endlosschleifen aus Grübeln und Ohnmacht zu verlieren, und stattdessen nach innen lauschen, entdecken wir unsere Gestaltungskraft wieder. Ob im persönlichen Alltag oder im gesellschaftlichen Kontext. Unsere Haltung macht den Unterschied.
Die Auseinandersetzung mit unseren eigenen Bedürfnissen ist der erste Schritt aus der Angst.
Sie führt uns zu mehr Klarheit, zu mehr Handlungsfähigkeit – und zu einem mitfühlenden Blick auf uns selbst und andere.
Wenn du dich tiefer mit deinen Gefühlen und Bedürfnissen beschäftigen willst, lade ich dich herzlich zu meiner Übungsgruppe ein. Dort schauen wir gemeinsam auf das, was uns bewegt – und wie wir uns selbst darin stärken können.