Peter H. Schmitt | Mediation Coaching Training

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Vergleichen Zwecklos!?

Wie Bewertungen unsere Gefühle beeinflussen.

Die Ferienzeit beginnt, der Sommer zeigt sich von seiner schönsten Seite, und überall sieht man gut gelaunte Menschen, die sich auf ihre wohlverdiente Auszeit freuen. Viele bereiten sich auf Strandtage vor, planen Urlaube und überlegen vielleicht auch, wie sie am Strand eine “gute Figur” machen. Was heißt das eigentlich: eine gute Figur?

Schon stecken wir mittendrin im Thema Vergleiche und Bewertungen.

Ob beim Online-Shopping, der Wahl des Urlaubsdomizils oder beim Restaurantbesuch in unbekannten Städten – vergleichen scheint ein normaler Teil unseres Alltags zu sein. 4,5 von 5 Sternen? Das klingt verlockend und auch die Empfehlungen aus der Community sind nahezu unverzichtbar. Doch während uns Bewertungen helfen, Produkte und Dienstleistungen einzuschätzen, ist es fraglich, ob dieser Mechanismus auch in unserem persönlichen Erleben hilfreich ist.

Denn wenn wir anfangen uns selbst zu bewerten, geraten wir schnell in eine emotionale Schieflage.

Der stille Druck des Vergleichs

Kaum denken wir darüber nach, wie wir “wirken”, beginnen wir, uns mit anderen zu messen:

  • Er ist sportlicher.
  • Sie hat die schönere Haut.
  • Die anderen wirken viel entspannter.

Hinzu kommt oft: Wir vergleichen nach oben. Selten mit denen, die weniger haben, sondern mit jenen, die mehr scheinen. Das Haus, die Karriere, die Ausstrahlung – alles wirkt irgendwie perfekter. Und je mehr wir vergleichen, desto kleiner wird unser Selbstwert.

Die Psychologie hinter dem Vergleichen

Evolutionäre Wurzeln unseres Vergleichsdrangs

Aus evolutionspsychologischer Sicht war das Vergleichen überlebenswichtig. Unsere Vorfahren mussten ständig einschätzen: Wer ist stärker? Wer hat besseren Zugang zu Ressourcen? Wer könnte mir gefährlich werden? Diese automatischen Bewertungsmechanismen haben uns als Spezies weit gebracht – doch in unserer modernen Welt können sie uns das Leben schwer machen.

Die Vergleichsfalle: Warum wir nach oben schauen

Leon Festinger prägte 1954 die “Theorie des sozialen Vergleichs”. Seine Forschung zeigt: Menschen haben ein angeborenes Bedürfnis, sich selbst zu bewerten, und tun dies hauptsächlich durch Vergleiche mit anderen. Dabei neigen wir dazu, uns mit Menschen zu vergleichen, die uns in bestimmten Bereichen überlegen erscheinen – ein Phänomen, das Psychologen “Aufwärtsvergleich” nennen.

Warum ist das so? Irgendwie sind wir darauf programmiert, nach Verbesserung zu streben. Wir wollen lernen, wachsen, und uns entwickeln. Doch diese natürliche Motivation wird zum Problem, wenn sie von Bewertung und Selbstkritik begleitet wird.

Das Drama der Bewertung

In der Gewaltfreien Kommunikation unterscheiden wir klar zwischen Beobachtung und Bewertung. Eine Beobachtung wäre: “Mein Nachbar joggt jeden Morgen 30 Minuten.” Eine Bewertung dagegen: “Mein Nachbar ist disziplinierter als ich.”

Die Bewertung löst sofort eine Kaskade von Gefühlen aus: Scham, Neid, Frustration oder das Gefühl, nicht genug zu sein. Marshall Rosenberg nannte Bewertungen “tragische Ausdrücke unerfüllter Bedürfnisse”. Hinter dem Gedanken “Er ist disziplinierter” steckt möglicherweise mein unerfülltes Bedürfnis nach Gesundheit, Struktur oder Selbstfürsorge.

Die emotionale Wirkung von Vergleichen

Dr. Marshall Rosenberg, der Begründer der Gewaltfreien Kommunikation, sagte dazu einmal sinngemäß: “Wenn du dich richtig schlecht fühlen willst, vergleiche dich mit Mozart!” Der Witz daran: Mozart war bereits im Alter von 13 Konzertmeister der Salzburger Hofkapelle und komponierte die ‘Kleine Nachtmusik’, aber starb mit 35 Jahren. Will ich wirklich dieses Leben?

Vergleiche können ganz schnell unsere Gefühle in den Keller schicken:

  • Aus Zufriedenheit wird Frust.
  • Aus Stolz wird Neid.
  • Aus Leichtigkeit wird Anstrengung.

Und das alles nur, weil wir den Fokus nach außen richten und vergleichen anstatt auf die reine Beobachtung und unsere Bedürfnisse.

Vergleiche und das Bedürfnis nach Zugehörigkeit

In der Gewaltfreien Kommunikation sehen wir hinter jedem Verhalten ein erfülltes oder unerfülltes Bedürfnis. Vergleiche entstehen oft aus dem tiefen menschlichen Bedürfnis nach:

  • Zugehörigkeit: “Bin ich Teil der Gruppe?”
  • Sicherheit: “Stehe ich gut da?”
  • Anerkennung: “Werde ich geschätzt?”
  • Bedeutsamkeit: “Bin ich wichtig?”

Die Vergleichsspirale verstehen

  1. Trigger: Wir sehen jemanden, der etwas hat oder kann, was wir uns wünschen
  2. Bewertung: “Der/die ist besser als ich”
  3. Gefühl: Neid, Scham, Minderwertigkeit
  4. Reaktion: Rückzug, Kompensation oder weitere Vergleiche
  5. Verstärkung: Das Muster festigt sich

Praktische Übung: Die Bedürfnis-Detektiv-Arbeit Wenn du merkst, dass du dich vergleichst, frage dich:

  • Was genau bewundere ich an dieser Person?
  • Welches Bedürfnis von mir spricht das an?
  • Wie könnte ich dieses Bedürfnis auf meine eigene Art erfüllen?

Der Ausweg: Radikale Selbst-Akzeptanz

Die Lösung ist kein Verzicht auf Entwicklung, sondern ein Wechsel der Perspektive. Was wäre, wenn ich mich nicht mehr ständig vergleiche, sondern anerkenne, wer ich bin? Mit meinen Stärken. Meinen Grenzen. Meinem Tempo.

Was wäre, wenn ich statt “Ich muss mehr tun” einfach sage: “Ich bin so lebendig, wie ich bin.”

Schon beginnt sich etwas zu verändern. Die Schultern senken sich. Der Atem wird ruhiger. Und vielleicht spüre ich, was ich gerade wirklich brauche.

Von der Bewertung zur empathischen Selbstverbindung

Marshall Rosenberg lehrte uns vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation – auch im Umgang mit uns selbst:

  1. Beobachtung ohne Bewertung: “Ich sehe, dass mein Kollege eine Beförderung bekommen hat.”
  2. Gefühle benennen: “Ich fühle mich neidisch und entmutigt.”
  3. Bedürfnisse erkennen: “Mir ist Anerkennung und berufliche Entwicklung wichtig.”
  4. Bitte an mich selbst: “Wie kann ich mir diese Bedürfnisse auf eine Art erfüllen, die zu mir passt?”

Praktische Übung: Der Selbst-Empathie-Dialog Setze dich bequem hin und führe ein Gespräch mit dir selbst:

  • “Ich nehme wahr, dass ich mich gerade mit anderen vergleiche.”
  • “Wie geht es mir dabei?”
  • “Was ist mir wichtig, was ich gerade vermisse?”
  • “Was würde mir jetzt guttun?”

Die Kraft der Gewaltfreien Kommunikation

Die Gewaltfreie Kommunikation bietet einen Weg aus der Vergleichsfalle. Sie lädt ein, hinter jede Bewertung zu schauen und zu fragen: “Was ist das Bedürfnis dahinter?”

Wenn ich sehe, dass jemand eine schöne Reise macht, und ich denke “Die haben mehr Geld als ich”, dann kann ich innehalten und fragen: “Was ist mir wichtig? Vielleicht Abenteuer, Erholung oder neue Erfahrungen? Wie kann ich mir das auf meine Art erfüllen?”

Dabei ist mir klar, dass der Erfolg anderer nicht meinen Wert schmälert. Die Schönheit anderer macht mich nicht hässlich. Das Glück anderer nimmt mir nichts weg.

Übung: Wenn Vergleiche aufkommen, sage dir: “Sowohl sie als auch ich haben unseren eigenen Wert.” “Sowohl sein Erfolg als auch mein Weg haben Berechtigung.” “Sowohl ihre Schönheit als auch meine Einzigartigkeit sind wertvoll.”

Kleine Achtsamkeitsübung zum Abschluss

Nimm Dir zwei Minuten, setze Dich bequem hin und schließe die Augen.

  1. Atme tief durch und spüre Deine Lungen mit Sauerstoff geflutet werden.
  2. Erinnere dich an einen Moment, in dem du dich mit jemandem verglichen hast.
  3. Welche Gefühle waren damit verbunden? Welche Bedürfnisse dahinter?
  4. Jetzt richte deine Aufmerksamkeit auf dich. Was brauchst du gerade – wirklich?

Vielleicht ist es Ruhe, Ermutigung oder einfach nur ein Moment des Annehmens.

Fazit: Von der Bewertung zur Lebendigkeit

Der Vergleich ist selten ein guter Ratgeber, denn er zeigt dir nicht wer du bist, sondern wer du nicht bist. Wirklich lebendig wirst du, wenn du dich selbst annimmst – ohne Bewertung.

Die Gewaltfreie Kommunikation lädt uns zu einem radikalen Perspektivwechsel ein: Weg von “Ich bin nicht genug” hin zu “Ich bin ein lebendiger Mensch mit Bedürfnissen, die nach Erfüllung suchen.” Weg von “Die anderen haben es besser” hin zu “Jeder Mensch hat sein eigenes Tempo und seinen eigenen Weg.”

In diesem Verständnis liegt eine tiefe Befreiung. Wenn ich aufhöre, mich zu bewerten, kann ich anfangen, mich zu spüren. Wenn ich aufhöre, andere zu beneiden, kann ich von ihnen lernen. Diese Praxis braucht Zeit und erfordert Geduld will immer wieder neu geübt. Doch jeder Moment, in dem wir aus der Bewertung aussteigen und in die Selbstverbindung gehen, ist ein Schritt in Richtung Freiheit und Lebendigkeit.

Deine Reise beginnt jetzt. Mit dem nächsten Atemzug. Mit der nächsten bewussten Entscheidung, freundlich zu dir zu sein und ohne jegliche Bewertung deine Bedürfnisse zu spüren.

Du bist wertvoll – nicht im Vergleich zu anderen, sondern einfach, weil du da bist.

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