Als ich morgens in der Nähe eines Wohnmobilstellplatzes in Sorges aufwachte wusste ich noch nicht das dieser Ort seinem Namen alle Ehre machen wird und ich mich bald, um einen kleinen Hunde sorgen würde. Ich bereitete mir mein Frühstück als sich ein Hund zur mir gesellte und mit Neugier rumschnupperte. Er blickte mich so bedürftig an, wie ich es sonst nur von meiner Tochter kannte, wenn sie irgendetwas von mir wollte. Er konnte noch so treu blicken, meine Fürsorge unterdrückte ich und gab ich ihm weder Nahrung noch Streicheleinheiten. Am Ende würde ich den Hund durch meine Zuwendung noch an mich binden und das wollte ich nicht, denn sicherlich würde er zu den Wohnmobilleuten gehören.
Dem Hund war das scheinbar egal, denn er verfolgte mich durch Sorges zu einer Bar. Ich trank dort einen Kaffee, lud mein Handy und verfasste meine Pilgernotizen. Ich ging zur Touristeninfo, wo gerade irgendwelche Trüffel begutachtet wurden, um mir einen Pilgerstempel in meinen Pilgerpass drücken zu lassen. Anschließend machte ich mich auf den Weg und der Hund, den ich aufgrund seines hellen Fells Sonny nannte, folgte mir sehr unaufdringlich.
Unfreiwillig begleitet.
Den Jakobsweg schien Sonny zu kennen. An manchen Kreuzungen oder Abzweigungen reduzierte er sein Tempo, ging bedächtig in eine Richtung, blieb stehen und beobachtete wie ich mich wohl entscheiden würde. Ich hoffte Sonny würde irgendwann mal von alleine auf die Idee kommen zurück nach Hause zu laufen. Er hatte ein gepflegtes Fell und gehörte sicherlich zu irgendjemand der ihn vielleicht schon vermissen würde. Nach über einer Stunde machte ich eine Pause.
Während ich von meinem Baguette aß sorgte Sonny für meine Unterhaltung. Er erkundete die Umgebung und schien viel Spaß daran zu haben eine Ziegenherde aufzumischen. Irgendwann war er nicht mehr zu sehen. Wo war er bloß geblieben? Bestimmt hatte Sonny Sehnsucht nach seinem Herrchen oder Frauchen und schlug seinen Nachhauseweg ein. Ich lief weiter und nur wenige hundert Meter später galoppierte er an mir vorbei. Ein berührender Moment, denn irgendwie gefiel es mir diesen kleinen unkomplizierten Begleiter zur Seite zu haben. Im Straßenverkehr bestaunte ich die Sonnys Achtsamkeit. Sobald er ein Auto hörte lief er an den Straßenrand, legte sich ins Gras und wartete bis das blecherne Ungeheuer vorbeifuhr. Erst dann lief er weiter.
Immer mal büxte er aus und rannte kreuz und quer über Wiesen und durch die Wälder. Der Gedanke den Rückweg einzuschlagen schien ihm fremd. Lieber lief er vor mir her und fühlte sich wohl berufen mich zu begleiten, um mir den Weg zu weisen. Irgendwann wurde mir die Sache mulmig und ich versuchte Kontakt aufzunehmen und ließ nichts unversucht Sonny zur Rückkehr zu motivieren. Mal schrie ich ihn lautstark an und mal sprach ich ihn in freundlichem Ton an.
Wunder geschehen immer wieder.
Wie könnte ich ihn bloß loswerden? Irgendwo würde sicherlich jemand diesen treuen Begleiter vermissen. Es war auf keinen Fall ein Streuner. Sein Fell war sehr gepflegt. Verschiedene Gedanken gingen mir durch den Kopf: Ich könnte per Anhalter fahren, in Périgueux einen Bus nehmen, um Sonny abzuhängen oder auf ein Wunder hoffen. Klar, ich könnte ihn auch bis Santiago mitnehmen, so lieb und laufbereit er war.
Während ich gedanklich alle möglichen Strategien durchspielte wie es mit mir und dem Hund weitergehen könne, erschienen mir zwei Engel in der Form von Pilgerinnen. Sie waren auf dem Rückweg von Santiago De Compostela nach Vézelay. Ich erzählte ihnen die Geschichte mit dem Hund und sie erklärten sich bereit ihn nach Sorges zurückzunehmen. Ein Schnürsenkel diente ihnen dabei als Leine. Ich dankte den Beiden, war froh und lief mit Trennungsschmerz weiter. Ich glaube der Hund wäre lieber mit mir weitergelaufen, das drücke er auch mit bitterlichem Abschiedsbellen aus. Das war das erste Mal das er überhaupt bellte.
Irgendwie war ich traurig von dieser Szene und fragte mich wie es kommt, dass mich diese eigentlich ungewollte, kurze Beziehung zu diesem Hund so berührt. Ich bis sicher, dass ich da irgendwas in Sonny hineinprojizierte. Irgendwie war ich auch überzeugt, dass mir Sonny nicht zufällig begegnete sondern, dass uns eine kosmische Energie zusammenführte.